01.12.2012
Mitgliederbindung wird in der Felsengartenkellerei Besigheim eG großgeschrieben. Für den Vorstandsvorsitzenden Dr. Götz Reustle spielen dabei die Gremien eine große Rolle.
In der Zeitschrift "GENOGRAPH" des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes (Ausgabe Dezember 2012) hat Ursula Egger seine Gedanken dazu zusammengefasst. Hier der Beitrag im Wortlaut:
"Die Mitglieder sind der wesentliche Faktor in allem und für alles, was wir tun. Sie sind unser Auftrag- und Arbeitgeber, denen wir in all unserem Tun verpflichtet sind. Unser Ziel ist, dass sich die Mitglieder mit ihrer Genosssenschaft identifizieren. Sie sollen nicht nur Traubenanlieferer sein, sondern Stolz auf ihre Mitgliedschaft in der Felsengartenkellerei empfinden", sagt der hauptamtliche Vorstandsvorsitzende Dr. Götz Reustle.
Um dies zu erreichen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Als wichtigste nennt er die Einbeziehung der Mitglieder in Entscheidungsprozesse sowie die Verankerung der Genossenschaft vor Ort.
Über 1.600 Mitglieder zählt die Genossenschaft, davon sind zirka 1.100 aktive Weingärtner. "Die Felsehgartenkellerei ist sukzessive aus dem Zusammengehen vieler kleinerer Ortsgenossenschaften entstanden, zu denen die Mitglieder einen sehr engen Bezug hatten. Die Herausforderung bestand darin, diese enge Verbundenheit auch in der größeren Einheit aufrechtzuerhalten und zu pflegen."
Deshalb ist die Felsengartenkellerei bestrebt, Vertreter aus allen Ortschaften in der Verwaltung zu haben. Zwar führe dies zu größeren Gremien (sechs Vorstände, 16 Aufsichtsräte), Konzepte und Strategien ließen sich hierrdurch allerdings besser vermitteln. Dies sei besonders bei Beeschlüssen wichtig, die für die Mitglieder nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sind. Aktuelle Beispiele hierfür sind die Festlegung strengerer Qualitätsregeln oder die Entscheidung über Fusionen mit anderen Genossenschaften. "Über die Gremien hält man den Kontakt zu den Mitgliedern."
"Auch wenn wir im Vorstand und Aufsichtsrat nie ortsbezogene Entscheidungen treffen, sollten die Gegebenheiten in den Mitgliedsgemeinden bekannt sein. Diese Balance zwischen ortsspezifischen und gesamtgenossenschaftlichen Interessen ist in der Felsengartenkellerei im Laufe der Jahre auf natürliche Weise gewachsen", so Dr. Reustle.
Die Mitglieder aus den verschiedenen Ortschaften mitnehmen und integrieren, damit sich alle als Teil der Felsengartenkelleerei verstehen. Dieses Ziel spiegelt sich teilweise auch in der Produktpolitik wider. So wird bewusst mit der Linie "Schwarzer Rappe" der ehemalige "lIsfelder Rappen" weitergeführt. Im Vertrieb ist der "Schwarze Rappe" so platziert, dass er auch von den Mitgliedern aus den anderen Gemeinden akzeptiert und als Besonderheit anerkannt wird. Die Linie "Schwarzer Rappe" geht nur in die Gastronomie und in den Fachhandel. "Verschiedene Produktlinien zu etablieren ist dann sinnvoll, wenn es damit gelingt, gezielt bestimmte Marktsegmente zu bedienen", betont Dr. Reustle mit Blick auf den Kostenfaktor.
Mitglieder sind wichtige Markenbotschafter
Für Dr. Reustle sind die Mitglieder nicht nur wichtige Multiplikatoren nach innen, sondern auch nach außen. "Sie sind unsere Markenbotschafter." Deshalb werden die Mitglieder in die Weinfeste der Felsengartenkellerei eingebunden, dies sind vor allem die Weinprobiertage am 1. Mai und 2/3. Oktober sowie die "Schräge Wein-Nacht". Etwa 40 Mitglieder sind jeweils aktiv beim Weinausschenken und Bedienen "eingespannt". Für die "Schräge Wein-Nacht" als besonderes Highlight mitten in den terrassierten Steillagen über dem Neckar werden bis zu 100 Helfer benötigt.
"Die Mitglieder erleben die Weinfeste als ,ihre' Veranstaltung, sie fühlen sich zugehörig zu ihrer Genossenschaft und entwickeln ein Gemeinschaftsgefühl." Natürlich treten sie bei den Veranstaltungen im selben Outfit mit dem Eidechsen-Emblem der Felsengartenkellerei auf. "Es sind manchmal Kleinigkeiten, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken", meint Dr. Götz Reustle.
Mitglieder sehr früh für Entscheidungen sensibilisieren
"Man muss den Mitgliedern die nötige Zeit geben, sich ihre eigenen Gedanken über die Entwicklung ihrer Genossenschaft zu machen. Dazu gehört auch das Gespür für den richtigen Zeittpunkt, zu dem sie informiert und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden", beschreibt Dr. Reustle das genossenschafttliche Spannungsfeld. Nicht immer gelingt dies und nicht immer werden die Signale und Hinweise verstanden oder ernst genug genommen. Ein wichtiger Termin für die Kommunikation mit den Mitgliedern ist in der Felsengartenkellerei die Winterveranstaltung.
Hier erklären Vorstand und Geschäftsführung Interna, Strategien und Beschlüsse. Für wesentlich hält es Dr. Reustle, die Mitglieder schon sehr frühzeitig auf strategische Entscheidungen einzustimmen und ihnen die Notwendigkeit von Maßnahmen zu erklären. Gerade komplexe Sachverhalte erfordern intensive Informationsarbeit, überzeugende Argumente und ausreichend Zeit.
Als aktuelles Beispiel nennt Dr. Reustle die geplanten Umbaumaßnahmen am Hauptsitz der Genossenschaft in Hessigheirn. Dort soll ein Gastronomiebetrieb entstehen und die Verkaufs- und Präsentationsräumlichkeiten an die Erwartung der Kunden angepasst werden. Bereits vor vier Jahren haben die Gremien begonnen, dieses Thema zu beraten. Auch die Mitglieder werden seit einigen Jahren auf die Notwendigkeit der Maßnahmen hingewiesen.
Genossenschaftliche Solidarität
Ein wichtiges und zentrales Element in einer Genossenschaft ist die Solidarität der Mitglieder untereinander. Aus dieser Solidargemeinschaft kann sich ein Mehrwert für alle Mitglieder ergeben. "Gemeinsam sind wir stark - dieser Slogan passt sehr gut", so Dr. Reustle.
In der Felsengartenkellerei ist die Solidarität zwischen den Weingärtnern mit Direktzuglagen und den Wengertern, welche die Steillagen an Neckar und Enz bewirtschaften, in besonderer Weise gefragt. Die Steilhänge machen den Reiz der Flusslandschaft aus und locken immer mehr Touristen in die Region. "Die Steillagen prägen unser Image", so Dr. Reustle.
Um diese Kulturlandschaft zu erhalten, zahlt die Felsengartenkellerei an die Betriebe mit Steilhangbewirtschaftung einen "Terroir-Zuschlag" für die angelieferten Trauben. Dafür reduzieren die Wengerter dort die Erträge um zirka 20 Prozent gegenüber der von Gesetzes wegen erlaubten Menge. "Der Vorteil für alle liegt auf der Hand: Die hier erzeugten Weine sind von besonderer Qualität und unsere markante Kulturlandschaft bleibt erhalten."
Noch kann diese Quersubventionierung getragen werden. Enttäuscht ist Dr. Reustle von der Politik, die außer Lippenbekenntnissen wenig zum Erhalt der Steillagen beitrage. "Die Weingärtner fühlen sich von der Politik im Stich gelassen." Deshalb kann er die Mitglieder gut verstehen, die ihre Steilhänge aufgeben, so sehr er dies auch bedauert. Wichtig ist ihm, dass die Steillagen, die im besonderen Maße zur Landschaftskulisse der Region beitragen, erhalten bleiben. "In Randbereichen werden die terrassierten Weinberge mittelfristig aufgegeben", so seine Meinung.
Dass die Steillagen noch in relativ großem Umfang bewirtschaftet werden, hängt in der Felsengartenkellerei auch damit zusammen, dass zirka 98 Prozent der Mitglieder im Nebenerrwerb arbeiten. Von zirka 1.100 aktiven Mitgliedern bewirtschaften lediglich 72 eine Fläche von über zwei Hektar.
Gleichzeitig bewirtschaften diese Betriebe etwa 56 Prozent der Rebfläche der Felsengartenkellerei. Eine starke Solidarität ist auch hier gefragt. Dr. Reustle ist überzeugt: "Wir brauchen beide Seiten, die Nebenerwerbswengerter und diejenigen, für die der Weinbau ganz oder zumindest wesentlich zu ihrer Existenz beiträgt. Mit den Rahmenbedingungen, die wir mit unseren Produktions- und Anlieferungsbedingungen vorgeben, bieten wir allen Mitgliedern die Möglichkeit, entsprechend ihren betrieblichen Besonderheiten zu agieren und gleichermaßen zu ihrem eigenen Vorteil und zum Nutzen der Felsengartenkellerei beizutragen."
Beirat und Winzergruppe
Die Vitalität und die Zukunft einer Weingärtnergenossenschaft hängen in großem Maße davon ab, ob es gelingt, den Nachwuchs zu erreichen und in das Leben der Genossenschaft zu integrieren. Schon seit 1995 gibt es deshalb einen Beirat, der aktuell aus 17 Mitgliedern besteht, das Höchstalter beträgt 45 Jahre. "Der Beirat ist Ideenschmiede, beschäftigt sich mit aktuellen Themen wie Veranstaltungen, Image-Maßnahmen oder Qualitätskonzepten und arbeitet so der Verwaltung der Genosssenschaft zu." Eine wichtige Rolle spielt der Beirat seit seiner Einführung bei der konzeptionellen Ausrichtung der Felsengartenkellerei.
Da der Beirat satzungsgemäß kein beschlussfassendes Organ ist, werden nicht automatisch alle seine Ideen und Vorschläge aufgegriffen beziehungsweise umgesetzt. "Dies zu vermitteln, ohne den Beiratsmitgliedern die Motivation zu nehmen, ist nicht immer einfach", meint Dr. Reustle.
Bereits einige Jahre vor dem Beirat wurde die Winzergruppe gegründet. Entstanden aus eine Gruppe junger Wengerter und· Weinfreunde, die sich ausschließlich um den Bau von Festwagen kümmerten, hat sich dieser Zusammenschluss in den zurückliegenden Jahren besonders um die Außendarstellung und -wirkung der Genossenschaft verdient gemacht. Sie bringen sich aktiv in die Weinfeste ein, führen dort traditionelle Tänze auf oder helfen bei der Bewirtung der Gäste.
Die Winzergruppe ist sehr dynamisch und organisiert sich in lockerer Zugehörigkeit um einen harten Kern von Mitgliedern herum. Auf ihre Initiative geht die "Schräge Wein-Nacht", das Weinfest mit dem ganz besonderen Ambiente zurück. Noch heute gestaltet sie eigenverantwortlich die Festwägen für die Festzüge, an denen die Felsengartenkellerei teilnimmt. "Die Winzergruppe hat viele neue Ideen eingebracht, von denen wir sehr profitieren. Es ist eine sehr lebendige Truppe, die auch intensiv diskutieren kann, wenn es sein muss", sagt Dr. Reustle.
Die jungen Weingärtner in der Felsengartenkellerei waren im Jahre 2003 auch Treiber für die Entwicklung einer Premiumserie mit hochwertigen Weinen. Sie sind entscheidend an der Festlegung der Produktionskriterien beteiligt und begehen zweimal im Jahr die hierfür vorgesehenen Weinberge zur Vergabe auszahlungsrelevanter Bonitur-Punkte.
Stolz, Vertrauen, Kompetenz
"Wir freuen uns über Mitglieder, die sich für ihre Genossenschaft engagieren und etwas bewegen wollen", sagt Dr. Reustle. "Wir müssen dafür sorgen, dass sie stolz sind auf die Felsengartenkellerei. Diesen Stolz vorzuleben ist die eine Seite, gleichzeitig müssen wir aufmerksam zuhören und bereit sein, uns mit ihnen und ihren Vorstellungen und Wünschen auseinanderzusetzen."
Für Dr. Reustle ist das gegenseitige Vertrauen wichtig für eine nachhaltige Mitgliederbindung und den Erfolg einer Genossenschaft. Dieses Vertrauen müsse man sich gerade bei jüngeren Mitgliedern, die es gewohnt sind, kritisch zu hinterfragen, immer wieder neu erarbeiten. Vertrauen schafft man, so ist Dr. Reustle überzeugt, nicht nur durch den wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch durch vorbildliches Verhalten und eine nachvollziehbare und gerechte Behandlung der Mitglieder. Letzteres sei bei über 1.600 Mitgliedern nicht immer ganz einfach.
Gerade wegen des Vertrauens, ohne das eine Genossenschaft nicht funktionieren kann, misst Dr. Reustle der Besetzung der Gremien eine so wichtige Bedeutung bei. "Nicht nur aus betriebswirtschaftlichen Gründen ist es unerlässlich, in den Gremien sehr gute, qualifizierte Mitglieder zu haben." Und qualifiziert heißt für Dr. Reustle nicht nur fachlich fit zu sein, sondern auch viel Sozialkompetenz zu besitzen. "Die Mitglieder müssen in einer immer komplexeren Welt das Gefühl haben, mit ihren Belangen und Sorgen in guten, verantwortungsvollen, kompetenten Händen zu sein. Schließlich entscheiden in einer eG die Gremien, wie schnell und mit welcher Weitsicht Dinge vorangetrieben werden."
Zahlen zur Felsengartenkellerei eG
Mitglieder 1.664
Mitarbeiter ca. 70
Ertragsrebfläche in Hektar 645 ha
Absatz ca, 6,5 Mio Liter
Umsatz ca. 18 Mio €