12.10.2012
Die württembergischen Weingärtnergenossenschaften bringen einen Traumjahrgang 2012 in ihre Keller: qualitativ herausragend und nach der Menge ein Vollherbst. Diese Bilanz zog Präsident Gerhard Roßwog vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV) am 12.10.2012 in Schwaigern bei der Heuchelberg Weingärtner eG.
Nach zwei kleinen Jahrgängen erwartet er mit 88 Mio. Litern einen Vollherbst. Die Hauptlese der Württemberger Leitsorten Trollinger und Riesling hat gerade ganz gelassen begonnen, bei ihrer Renommiersorte Lemberger warten die Genossenschaften noch zu. Trotz der kleinen Jahrgänge 2010 und 2011 haben die Weingärtnergenossenschaften ihren Umsatz im 1. Halbjahr 2012 mit 100 Mio. Euro sehr gut behauptet, sagte Roßwog.
Ulrich Bader, Vorstandsvorsitzender der Heuchelberg Weingärtner eG, sowie Susanne Reiner und Matthias Hechler (von links) vom Jungwinzerprojekt Vision Heuchelberg begutachten den Stand der Trauben an der Heuchelberger Warte.
Was seit 24. September in die Keller der württembergischen Weingärtnergenossenschaften kommt, zeichnet sich durch eine hervorragende Reife, vielfältige Aromen und hohe Öchslegrade aus, sagte Roßwog. Und in den Weinbergen hängen noch „supergesunde Trauben“ vom Trollinger, Riesling und Lemberger, die das perfekte Reifewetter mit kühlen Nächten und ein paar Sonnenstunden mitnehmen. Der späte Regen im Oktober führte dazu, dass die Reben wieder an die Arbeit gehen und weitere Aromastoffe einlagern. „Die Verbraucher dürfen sich darauf freuen, dass es vom 2012er wieder Spitzenqualität geben wird“, fasste Roßwog zusammen.
Weitestgehend abgeschlossen ist die Lese von Müller-Thurgau und Kerner sowie Schwarzriesling und Spätburgunder. Müller und Kerner haben mit durchschnittlich 85 bzw. 91 Grad Öchsle in der Breite Spätleseniveau erreicht. Auch die roten Burgunder stehen glänzend da. Sowohl Schwarzriesling mit 89 Grad Öchsle als auch Spätburgunder mit 93 Grad Öchsle haben die ausgezeichneten Vorjahreswerte noch übertrumpft und kommen im Durchschnitt auf Spätleseniveau. Bei allen Sorten liegt auch der Weinsäureanteil, der den Weinen die fruchtige, harmonische Note gibt, über dem bereits außergewöhnlich guten 2011er-Wert.
Auch Dieter Steinbrenner, seit über 40 Jahren Kellermeister der Heuchelberg Weingärtner, bestätigt die überdurchschnittliche Güte des 2012er. Er sieht insbesondere nach 2011 ein weiteres „tolles Lemberger-Jahr“ auf die Liebhaber der Württemberger Renommiersorte zukommen. Vom Cabernet Dorsa, einer Neuzüchtung, die seit rund zehn Jahren auf gut 2 Hektar am Heuchelberg angebaut wird, kamen sogar Trauben mit 103 Grad Öchsle in seinen Keller. Die Cabernet-Dorsa-Trauben veredelt Steinbrenner unter anderem zu einem Barriquewein. Die Heuchelberg Weingärtner pflegen ein umfängliches Barriquesortiment, das sich eines wachsenden Publikums erfreut, nicht zuletzt in der Generation der 20-Jährigen. Bei der diesjährigen DLG-Bundesweinprämierung wurden die Heuchelberger mit dem Ehrenpreis für die beste Kollektion Barrique/im Holzfass gereift, trocken, ausgezeichnet.
Ein ganz gelassener Herbst
Die Lese der späten Sorten gehen die württembergischen Weingärtnergenossenschaften ganz gelassen an, da die Trauben kerngesund sind und die Laubwände erst einen Hauch von Gelb zeigen; in manchen Genossenschaften wurde die Lese sogar ausgesetzt. Die ersten Trollinger und Riesling wurden diesen Donnerstag gelesen, mit ihrer Renommiersorte Lemberger werden die Genossenschaften frühestens nächste Woche beginnen. „So ein gelassener Herbstverlauf ist eine absolute Ausnahme“, freute sich Roßwog.
Die Reben hatten im Jahr 2012 sehr viel Trockenstress zu verarbeiten, bilanzierte er. Vor allem Heuchelberg, Zabergäu und das Weinsberger Tal wurden von der großen Trockenheit in Mitleidenschaft gezogen. Lediglich im Juli lagen die Niederschläge deutlich über dem langjährigen Mittel. Dazu kam eine „verzettelte Blüte“, die sich sehr lange hinzog und zu ungewöhnlich hohen Reifeunterschieden der Beeren innerhalb eines Trauben führte. Dafür profitieren die Trauben vom September, der als Altweibersommer mit vielen sonnigen Tagen und frischen Nächten glänzte, sowie von den idealen Reifebedingungen im Oktober.
Markt: Genossenschaften leiden unter kleinen Jahrgängen
Die württembergischen Weingärtnergenossenschaften und die Wengerter leiden unter zwei kleinen Jahrgängen hintereinander. „Aus den Jahrgängen 2010 und 2011 fehlen uns rund 35 Millionen Liter“, beklagte Roßwog. So konnten im 1. Halbjahr 2012 nur noch 32,7 Mio. Liter verkauft werden
(- 6,2 Prozent), im Vorjahr waren es noch 34,9 Mio. Liter, im 1. Halbjahr 2010 sogar 37,7 Mio. Liter. Ausschlaggebend war der Weißweinmangel, hatten die Wetterkapriolen der Vorjahre doch vor allem die weißen Sorten getroffen.
Zum Beispiel werde der 2011er-Riesling im Qualitätsweinniveau im November ausverkauft sein, sodass es kaum möglich sei, den Anschluss zum Jahrgang 2012 herzustellen. „Württemberger Weißwein bleibt knapp.“ Der Versuch, die fehlenden Weißweinmengen durch Blanc de Noir und durch zusätzliche Weißherbst-Weine auszugleichen, sei nur zum Teil aufgegangen. Immerhin verdoppelte die WZG Möglingen den Absatz ihres neuen Lemberger Weißherbst im nationalen Rebsortensortiment auf 194.000 Flaschen und auch der Blanc de Noir aus der Edition Gourmet konnte sich als idealer Spargelwein in der Gastronomie platzieren und ein Plus von einem Drittel einfahren.
Aufgrund unumgänglicher Preiserhöhungen behaupteten sich die Weingärtnergenossenschaften beim Umsatz indessen sehr gut, betonte Roßwog. Sie setzten im 1. Halbjahr 2012 100,3 Mio. Euro um, gerade 0,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch gegenüber dem 1. Halbjahr 2010, in dem noch rund 13 Prozent mehr Wein und Sekt verkauft worden war, musste lediglich ein Umsatzrückgang von 1,6 Prozent hingenommen werden. Der Marktanteil Württemberger Weine am deutschen Wein ging in diesem Zeitraum aufgrund der kleinen Jahrgänge auf 12 Prozent zurück. Im Kalenderjahr 2011 hatten die württembergischen Weingärtnergenossenschaften im BWGV 72,4 Mio. Liter Wein und Sekt verkauft (- 6,5 %) und einen Umsatz von 220 Mio. Euro (- 0,4 %) erwirtschaftet.
Präsident Gerhard Roßwog zeigte sich sehr zufrieden damit, dass trotz der Unsicherheiten über die Konjunkturentwicklung höhere Preise für Württemberger Genossenschaftsweine durchgesetzt werden konnten. Er gab sich zuversichtlich, dass angesichts der anstehenden kleinen Weinernten in Frankreich und Südeuropa diese gute Ausgangsposition behauptet werden kann. „Der Druck von Auslandsweinen auf den deutschen Markt wird in den nächsten Monaten nachlassen. Solange wir in Deutschland eine gute Beschäftigungssituation haben, gehen wir von einer guten Nachfrage nach den Weinen unserer Genossenschaften aus.“
Verbrauchertrends: frisch, fruchtig, weniger Alkohol
Die Verbraucher entdecken die Individualität beim Wein zurzeit wieder neu, sagte der Vorstandsvorsitzende der Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft eG (WZG), Möglingen, Dieter Weidmann, auf der Herbst-Pressekonferenz. „Individuelle Weinstile sind gefragt, die sich durch Komplexität und Aromenvielfalt auszeichnen.“ Diese Entwicklung komme den Württembergern mit ihrer enormen Vielfalt an roten und weißen Rebsorten, mit ihrem fruchtbetonten Charakter sowie den unterschiedlichen Böden sehr entgegen, betonte Weidmann. „Wir können mit unseren traditionellen Rebsorten und auch mit unseren Innovationen punkten.“
„Der Trend geht zu frischen, fruchtigen Weinen, zu weniger Alkohol und zu weniger Barrique.“ Dabei gehen die Ansprüche der verschiedenen Zielgruppen mehr denn je auseinander, sodass der Ausbau der Weine nach unterschiedlichen Stilen bewusst geplant werden muss. Zum Beispiel stehe der Rosé wie kaum ein anderer Wein für Lifestyle. Gefragt ist dabei ein moderater Alkoholgehalt, die eigene Restsüße und ein Hauch von Farbe. Zu diesem Trend passe auch der Erfolg der WZG-Serie „Süß und Fruchtig“, von der im 1. Halbjahr 2012 rund 645.000 Flaschen verkauft werden konnten, ein Plus von 25 Prozent.
Strukturentwicklung: „Ein großer Schritt voran“
„Mit sieben Verschmelzungen von Weingärtnergenossenschaften mit eigener Kellerwirtschaft in zwei Jahren hat die genossenschaftliche Gruppe in Württemberg einen riesigen Schritt nach vorne gemacht.“ Diese Zwischenbilanz der Strukturentwicklung zog Genossenschafts-Präsident Gerhard Roßwog in Schwaigern. „Die Verschmelzungen von Weingärtnergenossenschaften mit eigener Kellerwirtschaft sind von wirtschaftlicher Tragweite, weil hier Synergien zu heben sind“, betonte er.
Im Jahr 2012 wurden die Verschmelzungen von Lehrensteinsfeld zu Heilbronn, von Strombergkellerei und Brackenheim zur Weingärtner Stromberg-Zabergäu eG, von Kochertalkellerei zur Weinkellerei Hohenlohe eG und von Mundelsheim zu Lauffen vollzogen. Damit sind in Württemberg 45 Weingärtnergenossenschaften unter dem Dach des Genossenschaftsverbandes organisiert, davon 20 mit eigener Kellerwirtschaft, die WZG Möglingen als Zentralgenossenschaft eingeschlossen.
„Wir fördern und begleiten den Strukturwandel bei unseren Weingärtnergenossenschaften“, betonte der Genossenschafts-Präsident. Er werde angetrieben durch den Strukturwandel bei den Wengertern. Vor allem Wengerter, die weniger als fünf Hektar bewirtschaften, hängen die Rebschere an den Nagel. Dadurch werden immer mehr Steillagen nicht mehr bewirtschaftet, denn Haupterwerbsbetriebe können diese Flächen nicht mehr aufnehmen.
Das Beispiel Schwaigern
„Die Ergebnisse der Fusion waren schnell zu spüren“, erinnert sich der Vorstandsvorsitzende der Heuchelberg Weingärtner eG, Ulrich Bader. Die Heuchelberg Weingärtner hatten im Jahr 2004 mit der WG in Nordheim fusioniert. Bereits bei der Endabrechnung des Jahrganges 2004 im Jahr 2006 konnten sich die Wengerter in Schwaigern über rund 10 Cent niedrigere Kosten je Kilo Trauben freuen, die Nordheimer sogar über gut 20 Cent. Ganz wichtig ist es aus Sicht von Ulrich Bader, die Betriebsstätten zusammenzuführen. „Die Menschen sind erst zusammengekommen, als alle hier in Schwaigern waren.“ Das Weinhaus Nordheim habe nach wie vor eine strategische Bedeutung für die Genossenschaft für den Privatkundenbereich und den Fachhandel.
Vom Internationalen Jahr der Genossenschaften zum Jungwinzerprojekt „Vision Heuchelberg“
Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Das erinnere daran, dass es möglich ist, sowohl unternehmerisch zu handeln als auch soziale Verantwortung zu tragen, unterstrich Genossenschafts-Präsident Gerhard Roßwog.
„Die demokratische Unternehmensform der Genossenschaft sorgt für Transparenz und gibt vielfältige Möglichkeiten der Information und Mitsprache. Immer heißt der genossenschaftliche Grundgedanke: Wir bündeln unsere Kräfte, um gemeinsam etwas zu bewegen, als Hilfe zur Selbsthilfe, um selbstbestimmtes Handeln zu ermöglichen.“ Die Jungwinzerprojekte in Genossenschaften füllen diese Philosophie mit Leben, sagte Roßwog, weil sie jungen Leuten eine Chance zur persönlichen Entfaltung geben und sie darauf vorbereiten, Verantwortung in der Genossenschaft zu übernehmen.
Ihre Kompetenz einbringen, die Genossenschaft durch Innovation voranbringen, das war für die Jungwinzer vom Heuchelberg die Triebkraft, sich zum Projekt „Vision Heuchelberg“ zusammenzufinden, bestätigen Susanne Reiner (30) und Matthias Hechler (24). Auf 20 Köpfe ist die junge Truppe inzwischen angewachsen. Sie sind alle schon mit eigenen Flächen in der Genossenschaft verankert, die meisten von ihnen haben die Perspektive, den Haupterwerbsbetrieb der Eltern zu übernehmen; der Weinbau ist also ihre Zukunft.
„Wir wollen nicht nur Traubenlieferant sein, wir wollen die Rechte und die Pflichten als Mitglied einer Genossenschaft wahrnehmen“, unterstreicht Susanne Reiner. Dabei ist den Jungen die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Vorstand und Kellermeister wichtig.
Den Trollinger haben sie zu ihrer Leidenschaft gemacht und erstmals aus dem Jahrgang 2010 den Vorzeigetrollinger „VISION Heuchelberg“ geschaffen. „Wir wollen zeigen, dass Württemberg mehr kann!“, sagt Matthias Hechler. Auch die gute Gastronomie begeistern sie für den Trollinger.
Die Vision Heuchelberg hat auch die Genossenschaft selbst verändert, sagt Susanne Reiner. Zuerst wurden die Jungen etwas belächelt, heute sind auch ältere Mitglieder stolz auf sie und holen sich schon mal einen Rat, wie sie mit ihren Trollinger-Reben umgehen sollen. Und auch die Jungen haben sich verändert, betont Matthias Hechler. „Man ist mehr eingebunden, überlegt sich mehr, um die Gemeinschaft voranzubringen.“