Württembergs Weinwirtschaft macht sich fit für kommende Aufgaben. 2008 war das Jahr der „Bündelung der Kräfte“, das Jahr der Offensiven. Mit dem Weinexportkontor Baden-Württemberg wurde der Weg aus dem deutschen Export-Bundesland Nummer 1 in die internationale Weinwelt geebnet. In der Weininstitut Württemberg GmbH als Einrichtung für die Absatzförderung von Württemberger Wein über Veranstaltungen, Messen und Weintourismus arbeiten künftig unter dem Motto „Wir Württemberger!“ alle Gruppierungen zusammen: Weingärtnergenossenschaften (über deren Werbegemeinschaft in Möglingen) mit 37,5 % Anteilen, Weingüter, VdP und Ecovin mit je 2,5 % sowie die Kellereien mit 5 %. Der Weinbauverband Württemberg behält 50 Prozent der Anteile. Für dessen Präsident ist die Gründung ein „Meilenstein für das Weinland Württemberg“. Die Kooperation sei einmalig für die deutschen Anbaugebiete: „Wir arbeiten damit eng für die Dachmarke Württemberg zusammen.“
Der Kennerkopf soll als „Botschafter der Qualität“ eine neue Aufgabe bekommen. Er soll mit dem Anspruch „Kenner trinken Württemberger“ zur Qualitätsmarke für den Württemberger Genossenschaftswein verschmelzen.
Qualitätsdenken All diese Marketingaktivitäten leben nicht nur vom Produkt Wein, sondern in erster Linie von dessen weltweit wettbewerbsfähiger Qualität. Württembergs Weinmarkt ist kein „closed shop“ mehr für Trollinger, Lemberger und Riesling im Eigenverbrauch.
Mit dem Qualitätsdenken hat Württemberg früh angefangen. In diesem Jahr findet die 50. Landesprämiierung für Wein und Sekt statt – das regionale Ereignis für die eigene Standortfindung der 16.500 Wengerter im Verband.
1959 hat der damalige Weinbauverband Württemberg-Baden seine Mitglieder erstmals zur Teilnahme an der Landesweinprämierung aufgerufen. Heute ist sie ein wichtiges Standbein der Verbandsarbeit und ein Gradmesser für die eigene Position im internationalen Weinmarkt. Ab 1955 waren nur Württemberger Weine dabei, 1988 kamen Sekte dazu.
Ziel war von Anfang die Hebung der Weinqualität. Diese frühzeitige Erkenntnis ist heute noch das Hauptmotiv für die Prämierung, die zum Erfolgsmodell wurde. Verbandspräsident Hermann Hohl ist überzeugt: „Diese Veranstaltung hat sich qualitätsfördernd ausgewirkt.“ Der frühere Präsident Otto Haag hatte schon am 6. April 1960 die Erwartung geäußert: „Aus diesem edlen Wettstreit erhoffen wir für die Zukunft starke Impulse und eine weitere Steigerung der Qualität unserer Weine.“
Im November 1959 fand die erste Bewertung in den Räumen der Weingärtnergenossenschaft Heilbronn statt. Vom Verband bestellte Prüfer gingen unter Leitung von Oberregierungs-Landwirtschaftsrat Dr. Otto Linsenmaier, damals Weinbaureferent im Regierungspräsidium Stuttgart, ans Werk. Verdeckt, nach Jahrgängen, Sorten und Qualitätsstufen wurden die Weine nach Farbe, Klarheit, Geruch und Geschmack beurteilt und nach dem damaligen 20-Punkte-DLG-Schema bewertet.
Pioniere Die Beteiligung beschränkte sich auf wenige Pioniere und 13 angestellte Weine. Aber der Weg war geebnet für eine lange Erfolgsgeschichte. Die Zahl der Anstellungen stieg ständig. Im zweiten Jahr waren es 43, 1969 schon 867. Mit dem Superjahrgang 2003 wurde die Markte 5000 überschritten.
Vier- oder fünfmal im Jahr sitzen zertifizierte Prüfer bei der Prämierungsprobe in Weinsberg zusammen, um über den Württemberger zu befinden. Regelmäßig müssen sie ihre Qualifikation in Seminaren der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) erneuern.
Kommission Tief hängt die Nase im Glas, die Backen bewegen sich hin und her, der Gaumen wird sensibilisiert. Nur getrunken wird dabei nichts. Der Ausspucktopf ist ein wichtiges Utensil. Morgens 80 Weine, mittags 60 – das ist durchaus üblich. Vier Expert(inn)en bilden eine strenge Prüfungskommission. Im kleinen Kreis werden nach Geruch, Geschmack und Harmonie Eindrücke gesammelt, Punktezahlen verglichen und differierende Bewertungen fachlich diskutiert.
Das früher eingesetzte 20-Punkte-Schema wurde 1994 durch das 5-Punkte-Schema ersetzt. Gold gibt es ab der „Qualitätszahl“ 4,5 als Mittelwert der Einzelbeurteilungen, Silber ab 4 und Bronze ab 3,5 Punkten. Besonders gute Leistungen werden mit Ehrenpreisen ausgezeichnet. Diese Betriebe müssen sich über drei Jahre hinweg durch beste Gesamtleistungen hervorheben.
Die Württemberger Wengerter unterziehen sich diesem Verfahren freiwillig, in großer Zahl und für große Mengen. Das macht den Wert der Prämierung im Vergleich zur Vielzahl der Weinwettbewerbe auch auf privater Basis aus. Kaum eine Fachzeitschrift verzichtet heute auf einen verkaufsfördernden Vergleich. Die Liste der Wettbewerbe wird immer unübersichtlicher – auch für den Kunden.
Qualitätsstufen Dagegen ist die Württemberger Landesweinprämiierung mehrfach abgesichert. Am 26. Juli 1971 wurde der Weinbauverband Württemberg durch Verordnung der Landesregierung ausdrücklich als Träger der Prämiierung anerkannt. Als 1971 das deutsche Weingesetz dem EWG-Weinrecht angepasst wurde, gingen die Württemberg Weine erstmals zusätzlich in das bundesweit eingeführte strenge Examen „Qualitätsweinprüfung“. Sie wurde zur Grundlage für die Prämierung. Nur Weine, die eine amtliche Prüfnummer haben, dürfen teilnehmen. Die erfolgreiche Teilnahme an der LWP ist wiederum Voraussetzung für Teilnahme an DLG-Bundeswein- und -sektprämierung.
Dieses Stufensystem ist Kernstück eines umfassenden Qualitätsmanagements mit lückenloser Überwachung vom Rebstock bis zum Glas, von der Bevorratung bis zur amtlichen Analyse und war schon vor 36 Jahren beispielhaft für andere Lebensmittel. Wie man bei diesem umfassenden Kontrollsystem noch ein „Reinheitsgebot“ für den Wein fordern kann, bleibt das Geheimnis publicityfreudiger Erfinder. Dr. Gerhard Götz, heute zusammen mit Hermann Schneider einer der Leiter der Prüfungskommissionen für die Landesweinprämierung: „Mit der Qualitätsweinprüfung wurde im Deutschen Weinrecht ein Instrument geschaffen, das es ermöglicht, dem Verbraucher ein hohes Maß an Sicherheit beim Kauf von Weinen zu bieten. Qualitätsweinprüfung und Weinprämiierung sind der Grundstein für einen modernen und wirtschaftlichen Qualitätsweinbau.“
Profildenken Die Weinprämierung soll die Erzeugung qualitativ hochwertiger Weine und deren Absatz fördern. Sie ist aber auch geeignet, dem Württemberger Wein Profil zu verleihen. Zu breit sind bei bestimmten Sorten noch die Ausbauergebnisse gespreizt. Das haben auch die Veranstalter des gruppenoffenen jährlichen Trollingerwettbewerbs in Württemberg festgestellt. Die Württemberger Weingüter, der Weinbauverband und die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg arbeiten deshalb gemeinsam an Profilen für die typischen Württemberger Sorten. Ein Trollinger muss als Trollinger, ein Lemberger als Lemberger, ein Schwarzriesling als Schwarzriesling wieder erkannt werden, wer immer ihn auch erzeugt.
Weingipfel Was wären diese Prozeduren ohne öffentliche Kenntnisnahme? Deshalb wird die Landesweinprämierung begleitet von der jährlichen Prämierungsfeier und dem 1994 eingeführten „Gipfeltreffen prämiierter Württemberger Weine und Sekte“ in Heilbronn, das seit 2000 auch die „Top Ten“ Württembergs vorstellt. Für die Württemberger Wengerter ist die Prämierungsfeier im November das jährliche „Erntedankfest“ und ein Familien-Feiertag. Um die 1200 Teilnehmer zählt die Veranstaltung. Große Betriebe wie die Remstalkellerei in Weinstadt oder die Fellbacher Weingärtner stehen in der Siegerliste natürlich weit vorne. Im Medaillenspiegel für Sekt nimmt aber auch ein Weingut wie Fritz Currle in Stuttgart einen vorderen Platz ein.
Bis 1970 fand die repräsentative Preisverleihung in Stuttgart statt: am 6. April 1960 erstmals im Roten des Ratskellers, dann im Höhenrestaurant Schönblick auf den Killesberg. Ab der elften Preisverleihung 1971 wurde dann in der Heilbronner Festhalle Harmonie gefeiert. Gelegentlich kehrte die Veranstaltung in die Landeshauptstadt zurück, so zur Feier der 25. Prämierung 1983 in die Liederhalle.
Präsident Hermann Hohl lobt: „Ein derartiger Leistungswettbewerb ist eine selbstkritische Standortbestimmung für die Betriebe und ein Anreiz, hochwertige Weine für einen anspruchsvollen Markt zu erzeugen.“ Ein Erfolg bei der Landesprämierung für Wein und Sekt liefert den Weingärtnern gute Argumente für eine erfolgreiche Vermarktung. Hohl: „Die Preisplakette auf der Flasche garantiert dem Verbraucher objektiv geprüfte Qualität und hohe Wertigkeit.“
Qualitätszeichen Der Verband stellt gerade in jüngerer Zeit ein zunehmendes Interesse an Prämierungsstreifen fest. Neue Formen der Qualitäts-Kennzeichnung werden zum Beispiel mit einer „Kapsel“ über dem Flaschenhals die Wertigkeit des Württemberger Weins noch deutlicher machen.
Gerhard Schwinghammer